Theater spielen hat an der Waldorfschule eine lange, für Schüler:innen, Eltern und Lehrer:innen gleichermaßen vertraute und selbstverständliche Tradition: Legenden-, Fabel- und Märchenspiele in
der Unterstufe, die großen Klassenspiele der 8. und 11. Klassenstufe, Eurythmie-Aufführungen und immer wieder das gemeinsame Erleben der Schulfeiern. Auf der Bühne zu stehen gehört zum
Schulalltag und ist in das Unterrichtsgeschehen der verschiedenen Altersgruppen integriert.
In der Waldorfschule stehen die Klassenspiele der achten und elften Klasse an Schnittpunkten im Leben des jungen Menschen – sie markieren entscheidende Abschnitte der jugendlichen Entwicklung:
das Achtklassspiel den Abschied vom Kindsein und den Übergang ins Jugendalter, das Elftklassspiel den Eintritt in das Erwachsensein und den Abschied von der Schule. Diese einschneidenden Umbrüche
sind den jungen Menschen deutlich anzumerken. Sie beeinflussen die Arbeit und die Auseinandersetzung mit der Rolle entscheidend. Die Schule möchte am Ende der Proben ein Stück auf der
Bühne sehen, das so umgesetzt ist, dass Schauspiel, Sprache, Geste, Handlung, Bühnenbild und Kostüme zu einem schlüssigen Ganzen werden. Ebenso wichtig wie der künstlerische ist der pädagogische
Auftrag. Denn wir wollen an dieser Stelle die Schüler:innen für das Medium Theater begeistern, ihre Ausdrucksfähigkeiten schulen und ihr Selbstvertrauen stärken.
Auch wenn es im ersten Lehrplan der Waldorfschulen noch nicht aufgeführt war, gehört das Achtklassstück heute neben Klassenfahrt und Jahresarbeit zu den Höhepunkten der achten
Klasse an vielen Waldorfschulen im In- und Ausland. In der Zeit der Pubertät, wo viele Jugendliche ihren Standpunkt ganz neu bestimmen müssen, kann es eine große Hilfe sein, in eine
völlig andere Rolle hineinzuschlüpfen. Da traut sich dann manche(r), der/die sich sonst am liebsten ganz verstecken möchte, auf der Bühne total aus sich heraus zu gehen. Das tut gut! An der
Sprache, die sich in diesem Alter gern verwischt und verschleift, wird intensiv gearbeitet, ebenso an Gesten und Körperausdruck. Das wichtigste für mich ist aber, dass das Klassenspiel eine
Gemeinschaftsarbeit ist. Egal, ob „große“ oder „kleine“ Rolle, jede(r) trägt zum Gelingen des Ganzen bei. Dazu kommt die Arbeit an Kulissen, Requisiten, Kostümen und Maske, wo wieder andere
Fähigkeiten gefordert sind. Immer wieder habe ich erlebt, wie nach dem Klassenspiel die Schülerinnen und Schüler innerlich gewachsen sind, aber auch die Klassengemeinschaft gestärkt war.