Das Oberuferer Weihnachtsspiel ist Teil eines Zyklus von Spielen um biblische Ereignisse, sogenannten Mysterienspiele, wie sie im Mittelalter häufig waren. Das Paradeis-Spiel, das Christgeburts-Spiel und das Dreikönig-Spiel wurden in der
Mitte des 19. Jahrhunderts von Karl Julius
Schröer wiederentdeckt und veröffentlicht. Benannt sind sie nach dem Entdeckungsort „Oberufer“, einem bis 1918/20 zum Großteil von Deutschen besiedelten Dorf an der
gleichnamigen Donaufurt/Fährstelle.
Rudolf Steiner gab eine leicht modifizierte Fassung
dieser Spiele heraus und regte Aufführungen an. Die Lehrer der ersten Waldorfschule führten die Präsentation für ihre Schüler:innen ein. Seither werden sie alljährlich in Waldorfeinrichtungen um die Weihnachtszeit von
Schüler:innen, Lehrer:innen, Mitarbeiter:innen und manchmal auch Eltern oder mit der jeweiligen Einrichtung verbundenen Menschen aufgeführt.
Heutige Aufführungen halten sich gewöhnlich an den Originaltext, der sehr volksnah geschrieben und in einem der so genannten „donauschwäbischen“ Dialekte in Reimen abgefasst ist. Es wird dabei viel gesungen. Typisch für
diese Schauspiele ist, dass auch die ernsthaftere Handlung teilweise mit Humor durchsetzt ist. Dazu kommt die volksnahe Verlagerung des biblischen Weihnachtsgeschehens in eine bekannte Umwelt. So
beklagen im Christgeburtsspiel die Hirten auf dem Feld sich über die klirrende Kälte, rutschen wiederholt auf dem gefrorenen Boden aus und versuchen, sich gegenseitig ihre
Handschuhe zu stibitzen, wobei vernachlässigt wird, dass es an dem originalen Schauplatz der Geschichte, in Palästina, im Winter sicherlich nicht friert.
Dem Spiel vorangestellt ist eine Huldigung an die
Obrigkeiten und Autoritäten, an das Publikum und, in scherzhafter Form, auch an die notwendigen Requisiten, wie zum Beispiel den Hut. Dergleichen Huldigungen waren im Mittelalter bei fahrenden Schaustellern ebenso wie bei den Zünften, die solche Spiele aufführten, üblich.